23.04.2024 | Blog
Studie: Warum für kommunalen Klimaschutz das Grundgesetz geändert werden muss
Für die Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen nehmen die Kommunen eine Schlüsselrolle ein, es fehlt aber an Geld und Personal. Die Frage, mit welchen Finanzierungsinstrumenten diese beiden Aufgaben auf kommunaler Ebene trotzdem auf eine verlässliche und langfristige Basis gestellt werden können, steht schon seit einiger Zeit im Raum.
Seit der Föderalismusreform von 2006 darf der Bund den Kommunen gemäß Art. 84 Abs. 1 GG keine neuen Aufgaben mehr übertragen („Aufgabenübertragungsverbot“). Die Finanzierungspflicht liegt dann bei den Ländern („Konnexitätsprinzip“). Eine direkte Finanzierung durch den Bund ist nicht zulässig. Die Finanzierung von kommunalen Klimaschutzund Klimaanpassungsmaßnahmen erfolgt deshalb meist zeitlich befristetet über diverser Förderprogramme von Bund, Ländern und EU. Auf der Basis von makroökonomischen Schätzungen wird prognostiziert, dass ein Drittel der notwendigen gesamtgesellschaftlichen Investitionen und sogar 55% der Bauinvestitionen von den Kommunen getätigt werden müssen.
Wie können die nötigen Gelder ziel- und wirkungsorientiert an die Kommunen verteilt werden?
Auf kommunaler Ebene müssen jährlich rund 5,8 Mrd. Euro investiert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Die Studie wägt dazu zwei Konzepte gegeneinander ab: Die Einführung einer neuen „Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz” im Grundgesetz und die Umverteilung von Umsatzsteuereinnahmen zugunsten der Kommunen. Da für die Gemeinschaftsaufgabe das Grundgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament geändert werden muss, erscheint die Umsatzsteuerlösung als einfache Gesetzesänderung auf den ersten Blick attraktiv.
- Gemeinschaftsaufgaben, wie sie im Grundgesetz verankert sind, zeichnen sich dabei generell durch eine geteilte bzw. gemischte Finanzierung bestimmter staatlicher Aufgaben aus, an der Bund, Länder und Kommunen mit je unterschiedlichen Anteilen beteiligt sind.
- Die Verteilung des Aufkommens aus der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern hingegen wird als sog. „Deckungsquotenverfahren“ bezeichnet und ist in der Verfassung verankert (Art. 106 Abs. 3 GG). Es fungiert als Bindeglied zwischen dem Steuerverteilungssystem und dem Bund-Länder-Finanzausgleich. Bund und Länder haben danach „im Rahmen ihrer laufenden Einnahmen (...) gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben“.
Die Untersuchung zeigt: Die Gemeinschaftsaufgabe ist der Umsatzsteuerumverteilung klar vorzuziehen. Mit ihr könnten die finanziellen Mittel effizient und flexibel dort eingesetzt werden, wo Investitionen in den Klimaschutz nötig sind und die meisten Wirkungen erzielen. Finanzschwache Kommunen könnten gezielt unterstützt werden. Die Umsatzsteuer hingegen wird nach starren Quoten verteilt und folgt damit eher dem Gießkannenprinzip. Eine neue Gemeinschaftsaufgabe bietet zudem die Möglichkeit, die sehr hohe Zahl an komplizierten Förderprogrammen in die Gemeinschaftsaufgabe zu überführen.
Entscheidend für die Einhaltung der Klimaziele ist die Umsetzung von Maßnahmen vor Ort. Andreas Wolter, Vorsitzender des Klima-Bündnis e.V. und Bürgermeister der Stadt Köln, erklärt: „Als Kommunen wollen wir Klimaschutz! Wir planen und setzen die Wärme- und Verkehrswende um. Wir machen uns auf den Weg und gestalten die Zukunft, aber durch Mangel an Geld und Personal kommen wir nicht schnell genug voran. Deswegen unterstützen wir die Forderung nach einer Gemeinschaftsaufgabe – denn Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.”
Exkurs - Gemeinschaftsaufgabe (GA)
Gemeinschaftsaufgaben (GA) sind Aufgaben, die eigentlich in den originären Zuständigkeitsbereich von Ländern und Kommunen fallen. Allerdings zeichnen sie sich durch eine geteilte bzw. gemischte Finanzierung aus, da sich der Bund an einem Teil der Kosten beteiligt. Zusammen mit den Finanzhilfen (Art. 104b bis d GG) zählen die Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a bis e GG) zu den sogenannten Mischfinanzierungen des Grundgesetzes. Neben dem Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern bilden sie eine tragende Säule der Finanzverfassung.
Die Ursprünge der Gemeinschaftsaufgaben reichen bis in das Jahr 1969 zur „Großen Finanzverfassungsreform“ zurück. Die Mitfinanzierung des Bundes „bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder“ ist dann zulässig – so das Grundgesetz –, „wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind“ und „zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist“.
Zu den „klassischen“ Gemeinschaftsaufgaben zählen die „GA Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sowie die „GA Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Im Laufe der Jahre erfolgten verschiedene Ergänzungen. Derzeit wird darüber debattiert, ob auch Gemeinschaftsaufgaben für die Bereiche Klimaschutz und Klimaanpassungen eingeführt werden sollten.
Ein Charakteristikum der Gemeinschaftsaufgaben bildet die gemeinsame Planung der finanziellen Mittelverteilung durch den Bund und alle Länder in Planungs- bzw. Koordinierungsausschüssen. Deswegen stehen sie auch seit Jahren in der Kritik: sie seien administrativ zu aufwändig, ineffizient in der Förderung und zu gering in der Wirkung. Verschiedene Reformen der letzten Jahre belegen aber, dass sich die Gemeinschaftsaufgaben als durchaus anpassungsfähig erwiesen haben.
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KlimaschutzKlimaschutz ins Grundgesetz - warum das sinnvoll ist
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