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02.08.2023 | Blog

Über die sinnvolle Arbeit mit Visionen

Visionen haben den Ruf, überflüssig zu sein - unsachliche Träumerei, die uns von einer nüchternen Betrachtung der Dinge abhält. Wir halten dagegen: Wir brauchen ein positives Bild der Zukunft, und es darf auch erst einmal unrealistisch erscheinen. Hier einige Gründe:

  • Um eine bessere Zukunft zu schaffen, müssen wir uns erstmal vorstellen können, wo wir hinwollen. Wir brauchen Orientierung – die gibt uns eine Vision. Dann können wir planen, wie wir dieses Ziel erreichen.
  • Wenn uns die Perspektive fehlt, richten wir unsere innere Aufmerksamkeit auf das, was uns fehlt. Ohne Vision können wir nicht an eine positive Zukunft glauben. Der Blick auf die Mängel wird zur Negativspirale.
  • Dass wir Situationen nüchtern betrachten können, ist ein Trugschluss. Wir träumen und fühlen ständig. Auch unbewusst stellen wir uns vor, wie es werden könnte. Unser Gehirn produziert unentwegt Botenstoffe und Erregungen. Emotionsfreie Urteile sind unmöglich.
  • Jedes Mal, wenn wir eine Vision erreichen, werden wir mit einer Dopaminausschüttung belohnt.
  • Zukunftsbilder und Zukunftskonstruktionen können beeindruckende mentale Auswirkungen haben. Die "self fulfilling prophecy" ist ein bekanntes und psychologisch erforschtes Beispiel: Eine Erwartungshaltung, die die Realität so beeinflusst, dass sich die Erwartung am Ende bewahrheitet oder erfüllt.

Visionen geben uns also die Perspektive, die wir brauchen. Sie sind die Kompassnadel, in deren Richtung die Gegenwart rennt. Deshalb sind sie auch so sinnvoll für die politische Arbeit.

Was sind Utopien und wie unterscheiden sie sich von Visionen?

Wer von Visionen spricht, bewegt sich auch nah am Begriff der Utopie. Utopien sind jedoch nicht dasselbe. Bei Utopien handelt es sich um zukünftige, meist fiktive und präzise ausgearbeitete Idealzustände, die in die jeweiligen kulturell-historischen Rahmenbedingungen eingebunden sind. Dabei lösen sie sich meist vom Jetzt und reduzieren auf ein zentrales Lösungsprinzip. In der Philosophie und auch im allgemeinen Verständnis meinen Utopien meist entweder Staats- oder Gesellschaftsutopien, in denen das System so angelegt ist, dass alle Menschen glücklich sind, oder Wissenschafts-, bzw. Fortschrittsutopien, die künftige Entdeckungen der Wissenschaft und Technik für das menschliche Glück heranziehen.

Staats- und Gesellschaftsutopien waren vor allem vom 16. bis 20. Jahrhundert in Mode. Mit dem Niedergang vieler kommunistischer Staatssysteme, zwei Weltkriegen und anderen Gesellschaftsumbrüchen sind sie allerdings in den Hintergrund gerückt. An eine alternative, bessere Zukunft zu glauben, fällt vielen Menschen auch heute schwer.

Spätestens seit dem 21. Jahrhundert stehen die Wissenschafts- bzw. Fortschrittsutopien im Vordergrund, die einen neuen Menschen proklamieren und große Faszination auslösen. Schon als Jules Verne Ende des 19. Jahrhunderts in seinem Buch „20.000 Meilen unter dem Meer“ die technische Entwicklung des U-Boots vorwegnahm, wurde deutlich: Die Verwirklichungschancen dieser Utopien sind hoch. Auch die Reproduktionsbiologie zeigt das. Die erste erfolgreiche In-vitro-Fertilisation1978 machte ungewollt kinderlosen Menschen Mut.

Utopien sind – damals wie heute – auch in der Kunst und Kultur Gegenstand. Literarische Werke wie Thomas Morus’ „Utopia“ (1516) und Gemälde wie „Der Garten der Lüste“ sind Ausdruck davon. Was hingegen passiert, wenn Utopien scheitern, malen Romane wie „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley, „1984“ von George Orwell und die Bücher von Frank Schätzing aus. Nicht nur, weil sie totalitäre Systeme schaffen, sondern auch, weil mit Erreichen des gewünschten Idealzustands und mit Eliminierung von allem Störenden unser Gehirn in den Defizitmodus schaltet. In anderen Worten: Auch in einer Gesellschaft, in der es nichts auszusetzen gibt, findet sich über kurz der lang wieder etwas. Die Utopie wird zur Dystopie.

Was bleibt uns also, um unsere Ziele zu formulieren? Die Antwort sind „gezähmte Utopien“, sprich: Visionen. Der Wunsch nach der sozial-ökologischen Transformation ist geboren: Das bedingungslose Grundeinkommen, die Gemeinwohl-Ökonomie, die Postwachstumsgesellschaft und autofreie Städte sind viele Beispiele, aus denen wir Vorstellungskraft und Energie schöpfen. Denn jede Krise ist auch eine Chance.

Visionen...

  • ...transportieren Leichtigkeit, gehen mit der Zukunft spielerisch um und bringen uns zum Staunen.
  • ...sind nicht präzise, sondern bilden einen Orientierungsrahmen mit einem überschaubaren Horizont.
  • ...verbinden die Potenziale der Gegenwart mit den Lösungen der Zukunft und denken dabei nicht in Problemen.
  • ...machen den Wandel nicht einfach, aber leichter und möglich. 

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Es ist nicht leicht, aber mit Visionen ist es leichter 
Utopien an sich können also nicht das Ziel sein. Die Chance, eine Utopie zu kreieren, bei der unsere pluralistische Gesellschaft mitgehen will, ist viel zu gering. Aber: Utopisches Denken, das die Frage nach „was ist wünschenswert?“ stellt, ist äußerst hilfreich, um Visionen zu kreieren. Utopisches Denken unterstützt Visionen. Vor diesen Hintergrund haben wir beispielsweise ein Augmented-Reality-Tool entwickelt, mit dem Sie sich auf den Handy anschauen können, wie unsere Stadtterrassen in ihrem öffentlichen Raum wirken würden. 

Denn auch kann helfen, eine Vision zu entwickeln: Visualisieren Sie ein mögliches Ziel und leiten Sie daraus dann die nötigen Schritte ab. Den meisten Menschen liegt jedoch dystopisches Denken näher als die positive Vorstellung der Zukunft, die sie für eine Vision brauchen. Das Böse und Schlechte können wir uns viel besser ausmalen und vorstellen als das, was gut ist.

Was hilft uns also dabei, eine Vision zu erstellen?

Zunächst sollten wir schauen, wie wir uns fühlen – wenn wir nicht inspiriert oder ausgeglichen sind, haben wir keine Energie und sind blockiert.

  • Hapert es an Inspiration, gibt es hier Abhilfe: Zahlreiche Realutopien (Utopien, die sich verwirklichen lassen oder sogar schon gelebt werden) und das Gespräch mit anderen Menschen helfen uns dabei. Sie sind Inseln des Neuen, die beflügeln.
  • Nach der Inspiration kommt der Abgleich mit dem Status Quo. Wir müssen herausfinden, welche Qualitäten unsere Zukunft haben soll.
  • Diese Qualitäten müssen nun verdichtet und konkretisiert werden. Das geht übrigens – wie der ganze Prozess – am besten als Gruppe, im Dialog mit anderen.
  • Ist die Vision kreiert, finden wir nur Mitstreiter*innen, wenn die Vision greifbar und erfahrbar ist. Sie kommt aus dem Herzen, berührt uns und offenbart viel über die eigenen Wünsche und Träume. Mit der Methode des Backcastings lässt sich die Gegenwart hervorragend mit der Vision verbinden. Wir helfen Ihnen dabei! Von der Vision ausgehend werden rückwärts diejenigen Schritte identifiziert, die auf dem Weg dorthin nötig sind.

Es müssen also keine ausgefeilten Utopie-Konzepte sein. Die utopische Freiheit im Kopf brauchen wir aber für die Erarbeitung der eigenen Visionen. Zum Beispiel für die Vision der Zukunft der Mobilität in der eigenen Stadt oder Gemeinde.

Autorin

Sabrina Weber

Autorin

Sabrina Weber ist Referentin für Mobilitätsmanagement und Ansprechpartnerin für nachhaltige Lernkonzepte in der Koordinierungsstelle Reinland.


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